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Vorlesungsdokumentation aus der gleichnamigen Vorlesungsreihe an der Universitaetqueer [dot] aghh [at] gmx [dot] de
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Vorlesungsdokumentation aus der Vorlesungsreihe "Jenseits der Geschlechtergrenzen" an der Universität
Der Vortrag "_Diesseits_ der Geschlechtergrenzen: Die Kulturalisierung
des Feminismus als Naturalisierung der Geschlechterdifferenz – nebst einem Vorschlag, wie revolutionär Abhilfe zu schaffen ist" wurde am 14.11.2007 von Dr. Detlef Georgia Schulze, FU Berlin gehalten:
Die These von der sozialen Konstruiertheit der Geschlechterdifferenz bleibt solange für Re-Biologisierungen vereinnahmbar, wie die Existenz von Geschlechtern – und seien es mehr als zwei – nicht in Frage gestellt wird.
Anhand sozialwissenschaftlicher Interviews mit transgender people wird gezeigt: Während die Praxen der befragten Personen von Sozial- und KulturwissenschaftlerInnen als Beleg für die Instabilität der Geschlechtergrenzen und die Machbarkeit von Geschlecht interpretiert werden,
präsentierten die Befragten durchweg essentialistische und vielfach biologistische Erklärungen für ihre geschlechternormen-inkonformen Praxen. Wird dennoch an dem Ziel der Denaturalisierung der Geschlechterdifferenz als wichtiger Voraussetzung der gesellschaftlichen und politischen De-Konstruktion von Geschlechterherrschaft festgehalten, so stellt sich verschärft die Frage nach der geeigneten politischen und theoretischen Strategie zur Denaturalisierung der Geschlechter. Judith Butler hatte zwar schon in „Körper von Gewicht“ gewarnt: „Die Aufgabe besteht [...] nicht darin, Subjektpositionen im existierenden Symbolischen, im derzeitigen Bereich der Kulturfähigkeit, zahlenmäßig zu vervielfachen“. Und Cornelia Klinger unterschied zwischen Multikulturalismus und Dekonstruktivismus. Mit ersterem verbinde sich die Tendenz zur Toleranz, ja Indulgenz gegenüber allen möglichen, undiskriminiert und undiskriminierbar hinzunehmenden kulturellen und historischen Partikularitäten und zu einer weiteren Festschreibung vorgegebener Identitäten. Aus einer feministischen Perspektive müsse, so Klinger, nicht nur beargwöhnt werden, daß Identitäten festgeschrieben werden, sondern darüber hinaus, welche Identitäten damit zu Ehren kommen. Denn aus einer feministischen Perspektive seien keineswegs alle Kulturen gleichwertig und ihre Gleichrangigkeit gleichanerkennenswert.
Praktisch dominierte allerdings in der feministischen Diskussion der letzten Jahre – auch bei denen die sich auf dekonstruktivistische Theorieansätze bezogen – die Kritik am tatsächlichen und vielfach auch nur vermeintlichen Essentialismus von Radikalfeministinnen. In der Kritik am Separatismus der Radikalfeministinnen gingen die allermeisten DekonstruktivistInnen ein Bündnis mit jener Haltung der Toleranz, ja Indulgenz gegenüber allen möglichen,
undiskriminiert und undiskriminierbar hinzunehmenden kulturellen und historischen Partikularitäten – eben nur nicht gegenüber der der separatistischen Radikalfeministinnen – ein. Biologismus, Essentialismus und Intoleranz gegenüber anderen (insbesondere männlichen und transgender) Identitäten wurde zum undifferenzierten Standard-Vorwurf gegen Radikalfeministinnen. In dem Maße, in dem der Separatismus als intolerant kritisiert wurde, wurden andere Identitäten für unhintergehbar erklärt und damit stabilisiert. Das Ergebnis war genau das, wovor Butler gewarnt hatte: Eine Pluralisierung von Identitäten im existierenden Symbolischen, d.h. unter fortgesetzter Dominanz des Männlichen.
Was versäumt wurde, war eine Reformulierung des in der Tat vielfach biologistischen Separatismus des 70er- und 80er Jahre Feminismus als strategische Waffe für eine nicht nur theoretische, sondern auch politische De-Konstruktion der Geschlechter, d.h. als feministischen Stützpunkt gegen fortbestehende Männerherrschaft. In dem Maße, in dem sich paradoxer Weise ausgerechnet der dekonstruktivistische Feminismus von der von Monique Wittig formulierten Perspektive der disappearance der Geschlechter verabschiedete, wurde die Existenz von Geschlechtern zur unhintergehbaren Tatsache. Die Umstellung der Begründung der Existenz von Geschlechtern von einer biologistischen auf eine sozial-konstruktivistische oder kulturalistische Grundlage und das Zugeständnis der historischen Wandelbarkeit ist danach nur eine Variante des Invarianten.
Als Abhilfe wird eine Wiedereinführung der Kategorie „Herrschaft“ in feministische Analysen vorgeschlagen. Nur in dem Maße, in dem Prozesse der Konstruktion von Geschlecht als Herrschaftspraxen erkannt werden, wird es möglich sein, anstelle der Indulgenz gegenüber Geschlechtern eine Wiederaufnahme des Kampfes für das Verschwinden der Geschlechter zu setzen.
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