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Welche Bedeutung, wenn überhaupt, haben die Wahlen zum Europaparlament?

Was, wenn der Front National in Frankreich stärkste Partei wird? Und wie ist die Lage in England, wo die rechtskonservative UKIP Chancen auf Platz 1 hat? Was macht Left Unity? Die neue linke Partei, die im November des letzten Jahres gegründet wurde, wesentlich auf Grund des energischen Engagements von Ken Loach.


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1964 erschien »Der eindimensionale Mensch«. Deshalb beschäftigt sich die Freibaduniversität in diesem Jahr mit der Aktualität der kritischen Theorie Marcuses.

Freibaduniversität.
Aggression und Destruktion in der gegenwärtigen Gesellschaft – Der eindimensionale Mensch (V)
7. Mai 2014 // 14.00 bis 15.00 Uhr
Die Begriffe der kritischen Gesellschaftstheorie, die Herbert Marcuse Anfang der sechziger Jahre vor dem Hintergrund der sozialen Verhältnisse in den USA als – in jede Richtung – fortgeschrittenste Nation zu den drastischen Diagnose führen, die er in ›Der eindimensionale Mensch‹ von 1964 darlegt, sind das Ergebnis von Forschungen der späten dreißiger und vierziger Jahre: Wegweisend ist vor allem der 1941 in der ›Zeitschrift für Sozialforschung‹ publizierte Essay ›Einige gesellschaftliche Folgen moderner Technologie‹. Hier deutet sich an, was zur selben Zeit, bei allen Kontroversen im Detail, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer als ›Dialektik der Aufklärung‹ fassen (sie erscheint 1944 bzw. offiziell dann 1947). Und mehr noch: Ebenso wie Erich Fromm, der nach Streitigkeiten das Institut für Sozialforschung damals verlässt, operiert auch Marcuse, wenn jedoch sicherlich mit anderer Gewichtung, mit einer der kritischen Theorie Fromms in jeder Hinsicht vergleichbaren Sozialpsychologie. Marcuse konzentriert sich in seinen Untersuchungen dabei auf eine Analyse der Aggression (überdies ein damals gerade erst entdecktes Thema der Forschung, das den Strukturfunktionalismus ebenso wie die Psychoanalyse oder selbst den Behaviorismus beschäftigte).
1956 – also ein Jahr nach dem Erscheinen von ›Triebstruktur und Gesellschaft‹ – publiziert Marcuse den kurzen Beitrag ›Aggressivität in der gegenwärtigen Industriegesellschaft‹, in dem Kernthesen der kritischen Theorie formuliert sind, die auch in ›Der eindimensionalen Mensch‹ wieder auftauchen bzw. dort dann systematisch ausgeführt sind (im Übrigen auch in Beiträgen Adornos sowie in Fromms Schriften, zum Beispiel dem späten Werk ›Haben oder Sein‹ von 1976).
Marcuses Befund: Gerade in der Überflussgesellschaft werden destruktive Energien zu Kräften, die eine »gesellschaftliche Normalität« stabilisieren; Aggression wird an die Grundfunktionen des Lebens unter kapitalistischen Bedingungen gekoppelt. Dies ist notwendig (und eben deshalb »normal«), damit die Gesellschaft in ihrer Struktur trotz aller Widersprüche – die ja gerade zu den unmittelbaren vitalen Interessen der Menschen ganz offenkundig sich zeigen – aufrechterhalten werden kann: »Identität« verschiebt sich von einem subjektiven Bildungsprozess bzw. Bildungsprozess des Subjekts zur verdinglichenden Integration der Menschen, wird zur sachlichen Identität mit den Waren.
Wie auch Fromm spricht Marcuse hier von einer »kranken Gesellschaft«: »Eine Gesellschaft ist krank, wenn ihre fundamentalen Institutionen und Beziehungen (d. h. ihre Struktur) so geartet sind, dass sie die Nutzung der vorhandenen materiellen und intellektuellen Mittel für die optimale Entfaltung der menschlichen Existenz (Humanität) nicht gestatten. Je breiter die Kluft wird zwischen der möglichen und der tatsächlichen menschlichen Verfassung, desto größer wird das Bedürfnis nach dem, was wir ›zusätzliche Repression‹ genannt haben, das heißt: Triebunterdrückung, die nicht der Bewahrung und Entfaltung der Kultur dient, sondern dem sanktionierten Interesse am Fortbestand der etablierten Gesellschaft. Diese zusätzliche Triebunterdrückung und Verdrängung bringt neue Spannungen und Belastungen (jenseits und ober- oder eher unterhalb der sozialen Konflikte) für die Individuen mit sich. Gewöhnlich garantiert schon das normale Funktionieren des Sozialprozesses die notwendige Anpassung und Unterwerfung (Furcht vor Verlust des Arbeitsplatzes oder des sozialen Status, gesellschaftliche Ächtung, usw.); ein besonderes Vorgehen, um zusätzlichen psychischen Druck auszuüben, erübrigt sich. Aber es besteht in der modernen Überflussgesellschaft eine derartige Diskrepanz zwischen den gegenwärtigen Existenzformen und den erreichbaren Möglichkeiten menschlicher Freiheit, dass die Gesellschaft, will sie zu starkes Unbehagen vermeiden, eine wirksamere Koordination der Individuen vornehmen muss. So wird die Psyche in ihrer unbewussten und in ihrer bewussten Dimension einer systematischen Kontrolle und Manipulation zugänglich gemacht und unterworfen.« (Marcuse, ›Aggressivität in der gegenwärtigen Industriegesellschaft‹, in: Schriften Bd. 8, Springe 2004, S. 44)
Diese Kontrolle ist keine direkte Manipulation, sondern in die »Individualität« eingelassen und nimmt einiges vorweg von dem, was fast vier Jahrzehnte später Gilles Deleuze als »Kontrollgesellschaft« bezeichnet, was zudem jüngst Hans-Christian Dany in seinem fulminanten Essay ›Morgen werde ich Idiot‹ in Bezug auf die Kybernetik kritisch entfaltete (eine Kritik der Kybernetik ist mithin schon bei Marcuse in den fünfziger Jahren virulent, freilich über die rein informatorische Logik hinausgehend als Kritik eben der technologischen Rationalität). Mit anderen Worten, schon damals kündigt sich eine Gesellschaft an, in der die Menschen unter dem Zwang einer, wie es bei Dany heißt, permanenten Selbstoptimierung stehen. »Die sozialen und politischen Bedürfnisse müssen sich in individuelle, triebmäßige Bedürfnisse verwandeln. Und in dem Maß, indem die Produktivität dieser Gesellschaft nicht ohne Massenproduktion und Massenkonsum auskommen kann, müssen diese Bedürfnisse standardisiert, koordiniert und generalisiert werden.« (Ebd., S. 46) In diesem Sinne konditionieren sich die Menschen soweit selbst, dass, wie heute allenthalben zum ungeschriebenen Imperativ geronnen, den jede und jeder auch dann befolgt, wenn unter Berufung auf Lifestyle-mäßige Selbstverwirklichung, »Arbeitslosigkeit als Normalzustand … schlimmer als stupide Arbeit« erlebt wird, ja erlebt werden muss, um überhaupt mitzumachen.
Weiter heißt es bei Marcuse: »Damit stoßen wir auf den eigentlichen Widerspruch, der sich von der sozialen Struktur auf die psychische Struktur der Individuen überträgt. Hier weckt und steigert er destruktive Tendenzen, die auf eine kaum sublimierte Weise im Verhalten der Individuen auf persönlicher wie auf politischer Ebene sozial nutzbar gemacht werden – und damit im Verhalten der gesamten Nation. Destruktive Energie verwandelt sich in sozial nützliche Energie, und die aggressiven Impulse nähren den Fortschritt: wirtschaftlichen, politischen und technischen Fortschritt. Ähnlich wie im modernen wissenschaftlichen Betrieb, im kaufmännischen Unternehmen und in der Nation als Ganzem dienen konstruktive und destruktive Leistungen gleichermaßen der Produktion und der Vernichtung von Waren; dem Leben und dem Tod; Zeugen und Töten sind unlösbar miteinander verknüpft. Schränkte man beispielsweise die Nutzung der Atomenergie ein, so würde man gleichzeitig ihr friedliches wie ihr militärisches Potential verringern; die Verbesserung und Sicherung unserer Lebensbedingungen stellt sich lediglich als Nebenprodukt einer wissenschaftlichen Forschung dar, die im Dienste der Vernichtung des Lebens steht; würde man die Geburtenzahl reduzieren, so verringerte man gleichzeitig die zu erwartenden Arbeitskräfte und damit den Kreis der zu erwartenden Kunden und Abnehmer.« (Ebd., S. 48 f. Marcuses Bemerkungen über Atomenergie sind selbstverständlich historisch zu verstehen – er wird in den Siebzigern ein entschiedener Gegner auch der so genannten friedlichen Nutzung von Kernkraft; gleichwohl rekapituliert Marcuse hier ja nichts weiter als die Ideologie der Logik des Systems.)
Das Resultat von Marcuses Erwägungen: der »spezifische Charakter der Aggression in der ›Gesellschaft im Überfluss‹« verweist auf eine »selbstmörderische Tendenz dieser Gesellschaft … Und das weltweite Spiel mit der totalen Zerstörung mag dann in der Triebstruktur der Individuen eine feste Basis gefunden haben.« (Ebd., S. 59)
Mit dem Versuch einer Aktualisierung dieser Überlegungen zur Aggression und Destruktion in der modernen Gesellschaft wird die Reihe über Marcuses ›Der eindimensionale Mensch‹ in diesem Monat in der Freibaduniversität fortgesetzt. Herbert Marcuses ›Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft‹ erschien vor fünfzig Jahren, 1964.


Stadt. Wie klingt die? Und was klingt da? – Die Musikgeschichte spiegelt sich menschheitshistorisch in der Entwicklung des Urbanen: der musikalische Raum erschließt sich als städtischer Raum, nämlich konkret, als soziales Verhältnis. Umgekehrt entfaltet sich der städtische Raum als musikalischer Raum, und auch das konkret, wie jede Kunst, als soziales Verhältnis.
In dieser Sendung geht es um die Doppel- und Gegenbewegungen: Wie einerseits die Musik des bäuerlichen Lebens in die Städte zieht, wie andererseits die religiösen Gesänge die Mauern der Kirchen überwinden; wie einerseits die Städte, zumal die modernen Megalopolen architektonisch geronnener Technik, ihre eigene Musik erzeugen, wie andererseits die Städte von einer anderen Musik des städtischen Lebens durchflutet werden; wie einerseits die Oper entsteht, wie anderseits der Keller-Club; wie die Geräusche zur Musik werden, wie die Musik zum Geräusch wird –und das Geräusch im Rauschen sich auflöst (im Verkehr, mit den Wellen, durch die Atmosphäre: London, New York, Tokio, Rio de Janeiro, Nairobi …); wie die Drehorgel erfunden wird und wie der Walkman sich durchsetzt. Und warum die Musik der Städte, von den Rock- bis zu den Techno-Derivaten ab und an wie Dorfmusik sich anhört: antiurban, weltfremd, bodenständig, »authentisch« im Sinne von traditionsverbunden. Schließlich die offene Frage: Was bleibt als urbaner Soundtrack – ›Stress‹ von Justice, Pharrell Williams’ ›Happy‹ oder ›Factory‹ von Die Heiterkeit? Oder doch und immer noch Aaron Coplands ›Quiet City‹?
(Lignas Music Box wird die magischen Kanäle für die nächste Zeit nur noch in eine Richtung befahren, dafür aber mit genügend dialektischem Treib- und Triebstoff, um soweit in die Vergangenheit vorzudringen, dass die Zukunft hörbar wird. Deshalb gibt es bis auf weiteres einmal im Monat theoretische Improvisationen zu einer transzendentalen Akustik.)


Volles Programm, das Jahr ist noch jung, die Tage werden länger. Die Radiobücherkiste hat sich viel vorgenommen. In den nächsten Monaten wird u. a. Thema sein: Ein Bericht über die Geschichte der Modelleisenbahn – Neue Beiträge zur Popgeschichte – Uwe Nettelbeck – Aktuelle Zugänge zu Adornos ästhetischer Theorie – Erscheinungen aller Art von und über Walter Benjamin – ›Über den Fortschritt in der Kunst‹ – ›Die Idee des Kommunismus‹ – Der rote Faden der Geschichte – Martha und Hans Muchow – Stadtspaziergänge (Hamburg etc.) – ›Libido und Gesellschaft‹ – Kritik der Warenästhetik – Helmut Salzinger aka Jonas Überohr – Die Elite und ihre Verteidiger (Eike Bohlkens politische Visionen) – Terry Eagleton und ›111 Gründe, das Böse zu lieben‹ – Peter Bürger über Sartre – Sartre über Baudelaire – Paul Valery über Kunst – Harald Lemke übers Essen – Petzi übers Reisen – Comics, Filme, Serien: ›Tim und Struppi‹, ›Kimba‹, Peter Weiss, Bauhaus, ›Tatort‹ etc. – Neue und alte Kinderbücher – Spielzeug: Bausteine für eine andere Welt – Raumtheorien, Stadttheorien. Das Urbane und das Posturbane – Antisemitismus und Anarchismus – Marshall McLuhan – Valerie Solanas – Rudi Dutschke – Stuart Hall – ›Die kulturelle Unterscheidung‹ – Kulturindustrie als Blödmaschine. Dazu: traditionelle Theorie, kritische Theorie und akademischer Quatsch – Größte Fehlschläge – etc.


Volles Programm, das Jahr ist noch jung, die Tage werden länger. Die Radiobücherkiste hat sich viel vorgenommen. In den nächsten Monaten wird u. a. Thema sein: Ein Bericht über die Geschichte der Modelleisenbahn – Neue Beiträge zur Popgeschichte – Uwe Nettelbeck – Aktuelle Zugänge zu Adornos ästhetischer Theorie – Erscheinungen aller Art von und über Walter Benjamin – ›Über den Fortschritt in der Kunst‹ – ›Die Idee des Kommunismus‹ – Der rote Faden der Geschichte – Martha und Hans Muchow – Stadtspaziergänge (Hamburg etc.) – ›Libido und Gesellschaft‹ – Kritik der Warenästhetik – Helmut Salzinger aka Jonas Überohr – Die Elite und ihre Verteidiger (Eike Bohlkens politische Visionen) – Terry Eagleton und ›111 Gründe, das Böse zu lieben‹ – Peter Bürger über Sartre – Sartre über Baudelaire – Paul Valery über Kunst – Harald Lemke übers Essen – Petzi übers Reisen – Comics, Filme, Serien: ›Tim und Struppi‹, ›Kimba‹, Peter Weiss, Bauhaus, ›Tatort‹ etc. – Neue und alte Kinderbücher – Spielzeug: Bausteine für eine andere Welt – Raumtheorien, Stadttheorien. Das Urbane und das Posturbane – Antisemitismus und Anarchismus – Marshall McLuhan – Valerie Solanas – Rudi Dutschke – Stuart Hall – ›Die kulturelle Unterscheidung‹ – Kulturindustrie als Blödmaschine. Dazu: traditionelle Theorie, kritische Theorie und akademischer Quatsch – Größte Fehlschläge – etc.


"Nation Aufstand Krise - Kritische Perspektiven auf Europa"

In der edition assemblage ist das von Sebastian Friedrich und Patrick Schreiner herausgegebene Buch erschienen. In diesem Sammelband werden Formen und Auswirkungen ausgrenzenden und nationalistischen Denkens im Kontext der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise untersucht. Im Gespräch mit den AutorInnen werden deren Untersuchungsergebnisse vorgestellt und be- bzw. hinterfragt.


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DIVAismus – eine feministische strategie gegen ungleichverteilung von arbeit, annerkennung und kohle?

die diva übernimmt nicht die verantwortung dafür, dass der laden
läuft, moderiert nicht die sozialen spannungen im team oder umgarnt vermeintlich professionellere jungs* die sich auf ihrer besseren bezahlung ausruhen.

die diva kann sich darauf verlassen, dass ihre worte zählen, ihre arbeit wird gewürdigt wird. ihr steht anerkennung selbstverständlich zu. im zweifel sagt sie den auftritt auch einfach mal ab.

wir befragen das konzept der diva – eines der wenigen gesellschaftlich akzeptierten formen weiblicher dominanz - in einer sendung des perfect radio. kann die diva uns in unseren (arbeits-)verhältnissen gegen sexistische strukturen den rücken stärken? taugt die haltung der diva dazu strategien im kampf gegen (ökonomische) ungleichheit zu entwickeln? kann divaismus mehr spaß in den alltag bringen? und wieso sind jungs* eigentlich oft die besseren diven?

wir untersuchen phänome, entwickeln strategien, schreiben manifeste – und eins ist klar: unsere diva bleibt solidarisch.

zwei stunden lang fragen wir: WAS WÜRDE DIE DIVA TUN?


always
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Die Wiederholung der Abendsendung.
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http://hagalil.com
D[*] Dilettant[*in] übt eine Sache um ihrer selbst willen aus [...] Dabei mag er[*sie] durchaus vollendete Kenntnisse und Fertigkeiten erlangt haben." --Wiki

… "solange er[*sie] aber die Tätigkeit nicht beruflich für den Lebensunterhalt ausübt oder eine entsprechende, anerkannte Ausbildung absolviert hat, gilt er[*sie] als Dilettant[*in]."

Manchmal fachkundig, manchmal nur neugierig, häufig experimentell und immer mehr Probleme als Lösungen findend, nähern sich die Kaffeehausdilettant_innen spannenden, komplizierten, kontroversen Themen an.


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