neo....27.12.2018: Theatertipp: "Hunger. Peer Gynt" am Deutschen Theater und Gespräch mit Mark Eins

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Hunger/Peer Gynt

Deutsches Theater Berlin: „Hunger. Punkt. Peer Gynt“ in der Inszenierung von Sebastian Hartmann
Wie bin ich darauf gekommen, mir gerade dieses Theaterstück auszusuchen?
Ich weiß nicht mehr, war es der Tagesspiegel oder die Berliner Zeitung, irgendwo muss ich eine positive Rezension gelesen haben. Und dazu fand ich das mir als expressionistisch erscheinende Foto von der Inszenierung bildästhetisch sehr anziehend.
In dunkelbläulichem Licht sind zu sehen sehr schöne Bühnengestalten in durchgestyltem Schwarz, in hinreißend coolen Abendkleidern, in Anzügen, die Männer mit eleganten Hüten.
Gestaltet hat die Kostümierung Adriana Braga Peretzki.
Ein deutlicher, sichtbarer Kontrast zu heruntergekommenen Hungergestalten in zerlumpter Kleidung ….,
Dann ist eines der Stücke bzw. das dieser Inszenierung mitzugrunde liegende Buch, also Hunger, geschrieben von Knut Hamsun. Der hat bekanntlich damit seinen literarischen Ruhm begründen können. Und der, das macht zuerst einmal sprachlos, nicht nur zu den Mitläufern, sondern bis zuletzt und darüber hinaus zu den Unterstützern des Nazi-Regimes zählte. Eine Parallele zu Ferdinand Celine drängt sich da zwangsläufig auf. Aber das wäre ein anderes Thema …..
Warum, so fragte ich mich auch im Hinblick auf Knut Hamsun, warum sind oder scheinen gerade Stücke von Autoren so für die Theaterwelt faszinierend zu sein, die von rechten, ja, sagen wir es deutlich, faschistischen Autoren, geschrieben wurden?
Das Theaterstück, nur um es klarzustellen heißt nicht Hunger, sondern Hunger Punkt Peer Gynt. Und Peer Gynt wurde 1867 verfasst von Henrik Ipsen. Hunger wurde veröffentlicht 1890.
Vor der Aufführung dann eine halbstündige Einführung in die Arbeit des Regisseurs Sebastian Hartmann. Die Dramaturgie hat Claus Cäsar besorgt.
In der Einführung in Leben und Werk erfahren wir von den Auseinandersetzungen zwischen Ibsen und Hamsun und von der ungewöhnlichen Arbeitsweise von Sebastian Hartmann, dem Regisseur, von dem ich bisher noch kein Theaterstück gesehen hatte. Und es wird darauf hingewiesen, dass es in der Inszenierung keinen chronologischen Verlauf, kein von A nach B. gäbe, kein Nachzeichnen von Figuren gäbe.
Dass die Darstellerinnen und Darsteller mehr Text zur Auswahl hätten, dass sie mit Textfragmenten jonglieren könnten, auf die andere dann wiederum agieren müssten, dass jede Aufführung anders sei. Und dass die Schauspielerinnen und Schauspieler zudem noch während der Aufführung ein Bild nach einer Vorgabe des für Bild, Installation und Video zuständigen Tilo Baumgärtel gestalten würden, das jedes mal ein Unikat werde. Das betreffe auch die Musik, die Marcel Braun und Björn Mauder aus einer Playlist einspielten.
Entsprechend eingeführt war ich umso gespannter. Das Bühnenbild, die Bühnenperformance, der Bühnensound waren ein ästhetisch-bildlicher und soundmäßiger Hochgenuss. Schön, nicht nur weil theatertätowiert, anzuschauende Schauspielerinnen und Schauspieler, die dem Wahnsinn, der Verzweiflung an sich selbst, der Raserei ihre Körper, ihre Stimmen gaben. Ein Genuss, sie auf der Bühne spielen, agieren zu sehen.
Nur sehe ich keine Verbindung zu dem was Hamsun schreibt: nämlich: Zitat: ich fühle mich durch den Anblick meiner mageren Finger grob in Mitleidenschaft gezogen, ich hasse meinen ganzen ausgemergelten Körper, und mich schaudert, ihn zu tragen, ihn um mich zu fühlen. Herrgott, wenn es doch jetzt ein Ende hätte! Ich würde herzlich gerne sterben.“

Wie bereits gesagt, eine Herausarbeitung eines Charakters, oder von Charakteren, von Personen war von Sebastian Hartmann nicht intendiert. Daher lag meine Aufmerksamkeit sehr schnell, weil es erst einmal für mich nichts zu verstehen, nachzuvollziehen gab, auf dem Agieren, dem Interagieren, auf dem, was auf der Bühne passierte. Das hatte mehr gemein mit einer Sound-Bild und Mode-Installation bzw. Performance als mit einem Theaterstück, in dem die Charaktere der Personen herausgearbeitet werden.
Die Aufführung war für mich Anlass zur Beschäftigung mit Hamsun und auch mit der auf Reduktion angelegten, sehr speziellen und auch kritisch-kontrovers diskutierten Theaterarbeit von Sebastian Hartmann.
Daher hatte ich einen nachwirkenden Genuss und Erkenntnisgewinn sowohl im Theater als auch beim anschließenden Lesen von Hamsuns Hunger, den ich fasziniert und mit vielen, weiteren Fragen verschlungen habe.
Dabei ist es nur der Zeit geschuldet, dass ich bisher noch nicht zum Lesen von Peer Gynt gekommen bin.
Um die Aufführung wirklich ganz genießen, verstehen zu können, für den oder die sei die vorherige Lektüre beider Stücke, Hamsuns Hunger und Ibsens Peer Gynt, dringend angeraten. Aber auch für den, der es vorher nicht schafft, gibt es Szenen, die hängen bleiben, die durchaus amüsieren und gemeint ist nicht nur die eine, in der es um Selbstbewusstsein und Schüchternheit geht und dass es ziemlich langweilig sei mit zurückhaltenden Menschen, denn da müsse man alles selbst machen und sagen, bei nichts werde einem geholfen.
Weitere Aufführungen von Hunger.Punkt.Peer Gynt.

4. Januar 2019 19.30 - 22.30
19.00 Einführung – Saal

18. Januar 2019 19.30 - 22.30
19.00 Einführung – Saal

KP Flügel

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