Ab 20 Uhr: Lignas Music Box - EISENBAHNEN

Eine klobige Dampfmaschine auf Rädern? Ein heulendes Ungeheuer? Ein Projektil, mit dem die Reisenden durch die Landschaft geschossen werden? Sie war die bedeutendste Innovation des 19. Jahrhunderts, radikalisierte die Erfahrung von Geschwindigkeit und veränderte das Raum- und Zeitgefühl der Reisenden. Mit ihr wurde anfänglich Kohle, später dann Menschen transportiert, die sich in ihr wie Stückgut vorkamen. Doch sie hatte unbestreitbare Vorzüge gegenüber der Pferdekutsche: „Höre, was das erwähnte Ungetüm alles leistet. Als erstes ist seine Nahrung die wohlfeilste, denn es frisst nichts als Holz und Kohlen. Es braucht aber gar keine, sobald es nicht arbeitet. Es wird nie müde und schläft nie. Endlich ist es so folgsam, obgleich seine Stärke der von hundert Pferden gleichkommt, daß ein Kind von vier Jahren mit dem Druck seines kleinen Fingers ... seine ungeheure Arbeit zu hemmen imstande ist“ (Pückler-Muskau). Die Apologeten des technischen Fortschritts hatten ihr kultisches Objekt gefunden. Eine Maschine im Garten. Kierkegaard diagnostizierte ironisch, dass in einer Zeit „in der es per Eisenbahn geht“ nur noch darum ginge, „in den ersten besten Wagen zu springen und das Weitere der Weltgeschichte zu überlassen.“
Wie um dieses geradewegs zu illustrieren, wurden die neuen Eisenbahnstrecken in Europa „wie ein Lineal durch die Landschaft gelegt“. Und die Entfernungen zwischen den Orten schwand unaufhaltsam dahin. Heinrich Heine schreibt: „Sogar die Elementarbegriffe von Zeit und Raum sind schwankend geworden. Durch die Eisenbahn wird der Raum getötet, und es bleibt nur noch die Zeit übrig.“ Und eine veränderte Wahrnehmung: „Die Blumen am Feldrain sind keine Blumen mehr, sondern Farbflecken, oder vielmehr rote und weiße Streifen; es gibt keinen Punkt mehr, alles wird Streifen; die Getreidefelder werden zu langen gelben Strähnen; die Kleefelder erscheinen wie lange grüne Zöpfe; die Städte, die Kirchtürme und die Bäume führen einen Tanz auf und vermischen sich auf eine verrückte Weise mit dem Horizont“ (Victor Hugo). Die Landschaft „zieht“ nunmehr nur noch an den Betrachtern vorbei.
Marx' Bemerkung, „die Produktion produziere nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt, sondern ebenso ein Subjekt für den Gegenstand“ veranschaulicht sich auch an dem Reisenden in der Bahn. Sowie er den Wagen betreten hat, ist er zur Untätigkeit verurteilt. Die Monotonie der Reise macht sich bemerkbar. Gustave Flaubert schreibt 1864: „Ich langweile mich derart in der Eisenbahn, daß ich nach fünf Minuten vor Stumpfsinn zu heulen beginne.“ Da er nicht alleine dieses Problem hatte, war die Erfindung des Bahnhofskiosks und die Kompensation der Langeweile durch Lektüre unausweichlich.
Die Eisenbahn hat das individuelle und gesellschaftliche Sein vor 180 Jahren grundlegend verändert. Dagegen haben das Auto und das Flugzeug nur noch quantitative Veränderungen gebracht.
Preisen wir daher ihr Lob oder schmähen sie als Beginn allen Unglücks, widmen wir uns dem Klang der Schienen, dem brüllenden Getöse der Eisenbahn, ihren Hupen und den Durchsagen, die uns in ahnungslose Sicherheit wiegen. Aber vor allem der Musik über sie. Und bauen eine Kulisse im Studio auf, um uns an ihr in Form einer Modelleisenbahn, dieser Imitation des Großen im Kleinen zu erfreuen. Wie gesagt wird, besaß selbst Goethe eine (ein Modell der englischen Lokomotive „Rocket“), war aber selbst nie mit der Eisenbahn gefahren – diese wurde gerade erst gebaut...
Anleitung 1: Ein Telephon ist wie ein Mikrophon zur Welt und das Radio nichts anderes als ein großer Verstärker. Jeder Anruf ist die Möglichkeit, an alle zu sprechen. Und etwas für alle zu spielen. Einfach ein Musikstück der Wahl auflegen, die Studionummer 432 500 46 wählen und den Telephonhörer an einen Lautsprecher der Musikanlage halten. Das Abgespielte wird unmittelbar ins Studio gelangen und von dort direkt in den Äther gesendet. Überall dahin, wo Radiogeräte eingeschaltet sind und auf ein Signal warten.
Anleitung 2: Sollte es keine Möglichkeit geben, während der Sendung anzurufen und etwas einzuspielen, dann kann der Music Box auch etwas vorab geschickt werden. Ein Musikstück, ein gesprochener Text, eine Tonaufnahme, was es auch immer sei, Haupsache es lässt sich im Radio spielen. Bitte mit kurzem Kommentar versehen, warum das Stück gespielt werden soll, also was es mit dem Thema zu tun hat. Kleinere Dateien an lmb [at] fsk-hh [dot] org schicken. Größere mit www.wetransfer.com (bis zu 2 GB, ohne Anmeldung benutzen) versenden.

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Hier ein Link zu einer sehr

Hier ein Link zu einer sehr guten neuen Compilation-Reihe aus Newcastle namens RAILCABLES "Seasonal compilations featuring new music inspired by train travel".

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