Lignas Music Box: TELEFON, TELEFON, TELEFON

LMBSchon um 1670 herum hatte ein gewisser Samuel Moreland in London versucht, Sprache mit einem Instrument zu übertragen, das einer Trompete ähnelte, der sogenannten Sprechtrompete. Aber erst 200 Jahre später sollte es dem Erfinder Phillip Reiss gelingen ein funktionierendes Gerät zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen zu entwickeln, welches er dann „Telephon“ nannte. Einer seiner ersten Sätze an den Apparat lautete: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“. Im Zuge dieser und nachfolgender Demonstrationen seiner Erfindung, die er ständig weiter entwickelte, trat etwas Erstaunliches zu Tage: Die Übertragung von Musik gelang weitaus besser als die von Sprache. Nicht nur dieses Phänomen weist darauf hin, dass Reiss auch ein Poet gewesen ist (und nebenbei auch für andere Erfindungen verantwortlich zeichnete, z. B. den Rollschlittschuhen).
Um die Wirksamkeit einer solchen musikalischen Übertragung erneut unter Beweis zu stellen, lädt die Music Box zu einer weiteren Demonstration ein. So sollen in der heutigen Sendung nur Lieder über das Telefon oder dessen neuere Variante, dem Mobiltelefon erklingen (welches bereits 1926 mit einem Telefondienst in den Zügen zwischen Hamburg und Berlin entwickelt wurde). Selbstverständlich müssen diese musikalischen Thematisierungen des Telefons und der Kunstfertigkeit seiner Bedienung eben auch über dieses eingespielt werden. Mithilfe der Studionummer 432 500 46 lässt sich allerdings nicht nur Musik vortragen, auch spezielle Sounds können wiedergegeben werden oder Erinnerungen an die Zeit, als das Telefon noch nicht ständiger Begleiter an allen Orten war.
Wir tauchen also hinab in die Welt der fest installierten Telefonzellen, der Zeit, als das Telefon vielleicht einmal alle vier Wochen klingelte, Anrufbeantworter selbstverständlich noch unbekannt waren und man sich lieber Briefe schrieb als zu telefonieren. Als das Warten noch fester Bestandteil der Ausbildung der telematischen Gesellschaft war, vor allem, wenn es sich um eine vermisste Stimme handelte (wie Dorothy Parker es notierte: „als keiner anrief, wusste ich, du warst es“).
Und als das Telefon vor allem in einem einheitlichen grauen Gehäuse daher kam (der „Fernsprechtischapparat“ FeTAp 611) und daher kurze Zeit später Brokathüllen für diese aufkamen, die sich ästhetisch an die bestehenden Vorlieben für Häkeldeckchen oder Trachtenkleidung orientierten. Und als der Telegraphenmast noch die Modernisierung der Landschaft darstellte (wie Heinrich Hauser hymnisiert: „Es summte: Elektrizität! Licht! Telephon! Kraft! Lass dich umarmen, Pfahl! Du bist ein Wunder in Teer gekocht“). Von all diesen Dingen und vielleicht auch von dem allerersten Satz, den Alexander Graham Bell 1876 zu seinem Partner Watson übers Telefon sagte: „Watson, come here, I want you!“ (wie immer das gehen sollte!). Und vielleicht auch von der enormen Unruhe, in die einen all diese Geräte versetzen und die Ende des 19. Jahrhunderts bereits zur Modekrankheit Neurasthenie führte (weil der Mensch nicht nur 5, sondern 5.000 Sinne in der modernen Welt habe musste und „seine Nerven, die zu lauter Mikroskopen, Teleskopen, Mikrofonen, Telefonen und Galvanometern geworden sind, ihn in beständiger Unruhe halten“).

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