Selten veröffentlichen wir Pressemitteilungen sowie Pressemitteilungen der Polizei im Wortlaut. Die heutigen schon. Dazu die zwei folgenden Zitate:
I. Aus der Polizeipresseerklärung im O-Ton: "Dies hat mit Protest gegen Rechtsextremismus nichts mehr zu tun. Das brauchen wir hier in Dortmund nicht", so Einsatzleiter Dieter Keil heute Nachmittag in Dortmund."
II. Aus einem Internetposting: ""Wir können auch Mitgliedern aus dem Alerta-Bündnis helfen, aus der Szene auszusteigen." Der Oberbürgermeister jener Stadt die fast einmal von Herbert Grönemeier besungen worden war.
01.09.2012 | 19:45 Uhr
POL-DO: Abschlussbilanz Einsatzwochenende: Keine rechtsextremistischen Aktivitäten in Dortmund - Bürgerlicher Protest gefahrlos möglich
Dortmund (ots) - Lfd. Nr.: 0974
Nach Beendigung der Versammlungen des linksgerichteten Spektrums heute Nachmittag verteilten sich die Demonstranten in Kleingruppen im Stadtgebiet von Dortmund. (vgl. Pressemeldung http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/4971/2317422/pol-do-versamml...).
Immer wieder versuchten einige dieser Gruppen in Richtung Dortmund Dorstfeld zum Friedensfest und den Wohnsitzen einiger Rechtsextremisten durchzudringen. Dieses wurde jedoch durch starke Polizeikräfte verhindert. Durch Wechseln ihrer Bekleidung versuchten sie, sich unerkannt zu entfernen.
Bilanzierend stellt die Dortmunder Polizei fest, dass es sich um ein ruhiges und insgesamt gewaltfreies Wochenende handelte.
Durch das Demonstrationsverbot kam es zu keinerlei rechtsextremistischen Aktivitäten in Dortmund.
Der bürgerliche Protest einiger hundert Demonstranten konnte zu jeder Zeit ungestört erfolgen.
Als völlig unbefriedigend erwiesen sich die Kontakte zu den Verantwortlichen des des Antifacamps. Sowohl in der Planungsphase des Camps als auch im Verlauf des Demonstrationswochenendes verhielten sie sich der Polizei gegenüber in jeglicher Hinsicht unkooperativ, z. B. wurden Kooperationsgespräche mehrfach abgebrochen.
Die Polizistinnen und Polizisten im Versammlungsraum bekamen die aggressive Grundhaltung zu spüren. Diese Stimmung richtete sich ausschließlich gegen die Polizei und hatte mit Protest gegen Rechtsextremisten nichts zu tun.
Rückblickend hat es sich als richtig erwiesen, dass die Stadt Dortmund unter Berücksichtigung unserer Gefahrenprognose das sogenannte Antifacamp nicht genehmigt hat.
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/4971/2317452/pol-do-abschlus...
01.09.2012 | 15:11 Uhr
POL-DO: Versammlungslage in Dortmund
Dortmund (ots) - Lfd. Nr.: 0973
Wie bereits mit Pressemeldung lfd. Nr. 0972 berichtet, fand am heutigen Vormittag, 01.09.2012, 11:00 - 12:30 Uhr, eine Demonstration des Bündnisses "Dortmund stellt sich quer" in Dortmund Hörde mit rund 1000 Teilnehmern friedlich statt.
Nach Beendigung der Versammlung wurden die Demonstranten über Lautsprecher dazu aufgefordert, sich einer kurzfristig angemeldeten Kundgebung des Verantwortlichen des sogenannten Antifacamps an der Katharinentreppe in der Dortmunder Innenstadt anzuschließen.
Zeitgleich versammelten sich auf dem Platz von Amiens rund 400 Versammlungsteilnehmer des linksgerichteten Spektrums zu einer ebenfalls kurzfristig angemeldeten Kundgebung mit dem Thema "Gegen Nazis und Extremismusdoktrin". Von dort formierte sich nach langwierigen Kooperationsgesprächen ein Demonstrationszug der ab 14:00 Uhr in Richtung Ostentor, über Brüderweg und Wall zog und schon um 14:35 Uhr am Südbad durch die Versammlungsleiterin beendet wurde.
Eine Einigung auf eine gemeinsame Demonstrationsform der Veranstaltungen Kampstraße und Platz von Amiens kam nicht zustande. In beiden Versammlungen bildeten sich sogenannte schwarze Blöcke mit gewaltbereiten, vermummten Teilnehmern. Aus den Versammlungen heraus gibt es eine aggressive Stimmung gegen die Polizei und die eingesetzten Polizeibeamten. Versammlungsverantwortliche beider Demonstrationszüge, unter ihnen der Veranstalter des sogenannten Antifacamps, verhalten sich gegenüber der Polizei unkooperativ. "Dies hat mit Protest gegen Rechtsextremismus nichts mehr zu tun. Das brauchen wir hier in Dortmund nicht", so Einsatzleiter Dieter Keil heute Nachmittag in Dortmund.
Derzeit sind keine Aktionen von Rechtsextremisten zu beobachten.
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/4971/2317422/pol-do-versamml...
Von
Von http://www.antifacamp.org/2012/09/01/die-unkultur-meldet-sich-zu-wort/
Die “Unkultur” meldet sich zu Wort
The Antifacamp did not take place – Dortmunder Polizei “erspürt” unsichtbare Aggression
Ein Kommentar zur Rolle der Polizei am 1. September 2012. Wir möchten ja nicht immer darauf rumreiten, dass die Polizei Dortmund und der Oberbürgermeister uns mehr Steine in den Weg gelegt haben, als die von ihnen herbeihalluzinierten 300 gewaltbereiten Autonomen hätten schmeißen können, aber…
Es gibt da ein paar Dinge, die klargestellt werden müssen. Und darum wird es in den nächsten Wochen auch noch einmal Diskussionen, Texte und Repliken geben. Schon heute fangen wir damit an, denn vorhin ließ die Polizei verlautbaren: “Teilnehmer des sogenannten Antifacamp sind sehr aggressiv aufgetreten. Hier musste die Polizei robust auftreten.”
Moment. Alle aktiven Antifaschist_innen, auch solche, die nie ohne Parteifähnchen auf einer Gegendemo waren, wissen, was die Polizei meint, wenn sie “robust” sagt. Ewig lange Kessel, Helme, Tränengas, Wasserwerfer, vielleicht bei “ein bisschen robust” auch erst mal nur ein, zwei Tritte oder Schläge mit Schlagstöcken. Heute hat die Polizei nicht besonders “robust” agiert; nervig restriktiv, in zu großen Massen, ohne genauen Plan, was sie eigentlich machen sollen mit der ganzen Polizeiübermacht (außer über die Form des Mittagessens zu streiten, wie die WAZ berichtete). Aber “robust” kennen wir anders. Und hätten hier auch gleich einen Vorschlag: Wenn schon so viele Beamt_innen am Wochenende arbeiten müssen, könnten die doch mal schauen, wer da so demonstriert: das “sogenannte” Antifacamp war zumindest auch zeitgleich das “echte”.
Wo war denn nun die ganze Gewalt und Aggression, auf die angeblich robust reagiert werden musste? O-Töne der Polizei dazu von heute:
“In beiden Versammlungen [Anm.: Alerta- und Antifacamp-Demo, die sich am Ende in Teilen kurz zusammenfanden] bildeten sich sogenannte schwarze Blöcke mit gewaltbereiten, vermummten Teilnehmern. Aus den Versammlungen heraus gibt es eine aggressive Stimmung gegen die Polizei und die eingesetzten Polizeibeamten.
Versammlungsverantwortliche beider Demonstrationszüge, unter ihnen der Veranstalter des sogenannten Antifacamps, verhalten sich gegenüber der Polizei unkooperativ. ‘Dies hat mit Protest gegen Rechtsextremismus nichts mehr zu tun. Das brauchen wir hier in Dortmund nicht’, so Einsatzleiter Dieter Keil heute Nachmittag in Dortmund.”
Zu behaupten, wir hätten mit mehreren hundert Demonstant_innen nicht gegen Rechtsextremismus protestiert, an einem Tag, an dem ganz Dortmund dazu aufgerufen war, “gegen rechts” auf die Straße zu gehen, ist eine freche Anmaßung und eine pauschale Beleidigung der Teilnehmer_innen. Und zur “Vermummung”: Wir bezweifeln, dass die Polizist_innen, deren Namen die ganze Zeit von Nazis getwittert werden, sobald sie in Dorstfeld ihre Schicht beginnen, sich dabei komfortabel fühlen. Von Nazis persönlich bedroht zu werden, scheint uns kein so großer Spaß. Fotografiert zu werden, deutlich identifizierbar auf Nazi- oder öffentlichen Seiten abgebildet zu sein – das ist für die Antifa schon lange ein klares No-Go. Die Polizei mit all ihrer langjährigen Demoerfahrung scheint das vergessen zu haben. Die Teilnehmer_innen der Antifacamp-Solidemo bekamen ein “Wir lassen Sie nicht loslaufen, solange Leute vermummt sind” zu hören, nachdem schon bei der Alerta-Kundgebung von Seiten der Antifaschist_innen deutlich kommuniziert worden war, dass Fotografieren – auch durch die Staatsmacht – nicht gewünscht ist. Wie genau eine Kapuze und eine Sonnenbrille die öffentliche Ordnung gefährden, haben wir allerdings sowieso noch nie verstanden. So oder so – weder uns noch der anwesenden Presse (etwa den Ruhrbaronen) wurde erklärt, was genau unkooperativ war am Verhalten der Anmelder_innen – und eigentlich schrieb ja auch die Polizeipresse von der allgemeinen Friedlichkeit des Tages. War dann gar die “Gewaltbereitschaft” erstmal eine reine Behauptung – um, ja um was eigentlich? Die Kosten zu rechtfertigen? Die “Bürgerlichen” davon zu überzeugen, dass die “offiziellen” Anti-Rechts-Kundgebungen “besser” waren als die kurzfristig angemeldeten Demos der “Linken”, obwohl letztere voller waren?
Die abendliche Erklärung bringt Licht ins Dunkel. Um 19.45 Uhr veröffentlicht die Polizei Dortmund eine Pressemitteilung:
“Als völlig unbefriedigend erwiesen sich die Kontakte zu den Verantwortlichen des Antifacamps. Sowohl in der Planungsphase des Camps als auch im Verlauf des Demonstrationswochenendes verhielten sie sich der Polizei gegenüber in jeglicher Hinsicht unkooperativ, z.B. wurden Kooperationsgespräche mehrfach abgebrochen.
Die Polizistinnen und Polizisten im Versammlungsraum bekamen die aggressive Grundhaltung zu spüren. Diese Stimmung richtete sich ausschließlich gegen die Polizei und hatte mit Protest gegen Rechtsextremisten nichts zu tun.
Rückblickend hat es sich als richtig erwiesen, dass die Stadt Dortmund unter Berücksichtigung unserer Gefahrenprognose das sogenannte Antifacamp nicht genehmigt hat.”
Ach so. Ein Rundum-Rechtfertigungsbedürfnis. Die Leute vom Antifacamp waren alle ein bisschen aggro, schon im Vorfeld, die Polizei fühlte sich vor Wochen schon missverstanden, und als dann dieselbe Stimmung heute auf der Demo wieder “spürbar” wurde, war klar: “Antifaschismus geht so nicht”.
Oder sagen wir: Für die Polizei war das klar. Weil sie ja erklären müssen, wieso sie in den letzten 10 Tagen so agiert haben, wie in den Medien hinreichend dargestellt. Nicht mal bei der Abschlussdemo ohne Nazis ist was passiert, was man (also: “die Staatsmacht”) beim Namen nennen könnte, daher mussten dieselben Floskeln wie immer künstlich ins “Aktuelle Tagesgeschehen” eingeflochten werden. Die Extremismus-Mär vom “guten” und vom “bösen” Antifaschismus, und Pauschalisierungen, die jede zukünftige Diskussion um die Rechtmäßigkeit des Campverbots im Keim ersticken sollen. Wär natürlich schön gewesen für die Polizei, ein paar Bilder oder Belege gehabt zu haben, aber Geschichten erzählen ist auch ein schönes Hobby. Nur, dass nicht alle so leichtgläubig sind – wie die lange Unterstützer_innenliste der “Antifacamp – Jetzt erst recht”-Kampagne genauso belegt wie deutliche Verurteilungen des offiziellen Vorgehens etwa von Seiten des Auschwitz-Komitees.
“Robust”, wie gesagt, geht anders. “Peinlich” trifft’s dafür ziemlich gut.