Abschied vom Konsum

Vor ca. eineinhalb Monaten hat mich eine Mail meines Cousins erreicht, in dem er mir mitgeteilt hat dass mein und unser gemeinsames zweites Wohnzimmer, die Kneipe „Konsum“ in der Stresemannstrasse 13, schliessen wird.

Das ist total furchtbar.

Über die Gründe möchte ich hier mal nichts schreiben, aber Wirt Armin erzählt das zur Not selbst wenn man bei ihm am Tresen sitzt, und wer das nicht abwarten kann oder tratschsüchtig ist dem erzähl ich es persönlich.

Kaum zu glauben dass es 8 Jahre gewesen sind.

Ich weiss gar nicht genau wann ich dieses Kleinod am Rande der Galaoszene selbst entdeckt habe – es war auf jeden Fall noch während meiner aktiven Zeit beim FSK, und ich habe Armin auch das erste mal im Sender wahrgenommen.

Er hat dort meiner Erinnerung nach das getan was er (unter anderem) macht wenn er nicht hinterm Tresen steht:

Flyer in Flyerkästen stecken oder dafür sorgen das Flyer in Flyerkästen gesteckt werden.

In der Sendung die ich damals mitmoderiert habe hat er auch auf die eine oder andere Veranstaltung in seiner Bar hingewiesen, persönlich oder per Telefon.

Zu der Zeit gab es einen harten Kern der FSK Anbieterinnengemeinschaft (das höchste beschlussfassende Gremium) welches sich nach den oft zähen und harten Diskussionen entweder erst zum (noch auf der anderen Seite der Strasse beheimateten) O-Feuer oder gleich in die 2 Türen neben dem Konsum beheimateten „Mutter“ begab um den Abend, meistens erst nach Mitternacht, zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen.

Bei einer solchen Gelegenheit (war die „Mutter“ zu voll ? wollten alle etwas Abwechslung ? wollte jemand Armin besuchen ?) sind wir alle im Konsum gelandet.

Ich mochte den Laden sofort.

Warum das so war ist im nachhinein wesentlich schwerer zu erklären als warum es mir jetzt so leid tut, dass diese für mich beste Kneipe aller meiner Kneipenerfahrungen schließt.

Es gibt so viele Einzelerinnerungen die mir in den Sinn kommen wenn ich an die Jahre mit Armin, seinen tollen Bedienungen und seinen illustren Gästen denke.

Der englische Stammtisch am Sonntagabend bei dem alle Gäste am Tresen sich auf, na klar, englisch unterhalten um für sich die Sprache aufzufrischen. Dictionary lag bereit, ausweichen auf Deutsch verpönt, lieber dreimal um den heißen Brei bis man den Punkt trifft.

Die Fortbildungsreihe „Die Entwicklung des Trinkens von der Utopie zur Wissenschaft“ mit Vorträgen über und Verkostung bedeutender alkoholischer Flüssigkeiten.

Beim Whisky Vortrag

„Sag mal Armin wie lange läuft die Verkostung eigentlich noch ?“

Armin blickt auf die lange Aufreihung der Whiskyflaschen und fragt

„Hast Du alle probiert ?“

„Nein“

„Na dann läuft die Verkostung noch“

Der Wodkavortrag mit den Kurzgeschichten von Wladimir Schinkarjow.

Der Rumvortrag mit Benny Adrion.

Die Geburtstagspartys wildfremder Leute.

Bei Armin im Konsum gab es keine geschlossenen
Gesellschaften.

Es galt die Budgetregel : geladene Gäste bekommen einen Konsum - Stempel und dann wird nur noch entschieden ob nur die Vorderseite der Karte oder auch die Rückseite mit den harten Sachen verheizt werden kann.

Wer im Konsum feierte hatte also immer noch mitfeiernde Gäste des normalen Publikums.

Die tschechischen DJ Partys.

Ein von mir organisiertes Konzert von Ford Pier mit sensationellen 12 Gästen.

Die Stelle wo Ford in einem Lied erst locker klampft und dann tierisch losschreit; kurz vorher schaut ein Pärchen interessiert durch die Glasfront hinein und Ford baut das nach seinem Geschrei in seinen Song ein (das Pärchen ist natürlich erschrocken weitergezogen) „who are these People do I need their Money NOOO“

„I´ve played in front of fewer and less interested People”

Die Treffen nach St. Pauli Spielen mit meinem Fanclub die den Laden (und das Spieltagbier für lau, nur für Mitglieder) dafür genutzt haben – nicht immer als erste Anlaufstelle nach dem Spiel, aber oft die letzte.

Doch abgesehen von diesen Schlaglichtern war das wichtigste:

Das Publikum

Der kommunikativste, abwechslungsreichste und lustigste Tresen den ich je erleben durfte.

mit ermöglicht durch

Die Crew

Zuallererst natürlich Armin, aber auch u.a. Vera, Ali, Rainer, Jenny, die handverlesen und geschmackssicher vom Chef ausgewählt dem Laden seine Unverwechselbarkeit gegeben haben.

So unterschiedliche Charaktere und doch so treffsicher ausgesucht, das man eher das Gefühl hatte Freunde zu besuchen als zu – konsumieren.

Jenny hat das einmal sinngemäß sehr gut getroffen; auf meine Frage hin ob Sie meint wie sich das Konsum rentiert:

Armin würde das Konsum doch nicht machen um Geld zu verdienen, sondern in erster Linie als Projekt führen damit er bestimmte Leute um sich hat.

Ein Freund hat auch mal etwas schönes treffendes gesagt.

Das Konsum wäre die einzige Kneipe wo er auch immer einfach so, ohne Verabredung oder Ziel hingehen könnte, und sich trotzdem sicher sein könnte einen schönen Abend zu verbringen.

Der Laden hatte 365 Tage im Jahr auf, von 20:00 bis 04:00
Uhr morgens mindestens.

Plus zu denSpielzeiten der 1. und 2. Bundesliga

Und das war vielleicht einfach das wichtigste.

Das Konsum war da wenn man es brauchte.

Es wird bestimmt noch gute Kneipen geben in denen man sich herumtreiben kann, aber für mich und viele andere geht eine Ära unzähliger mal stinknormaler mal unvergleichlicher mal unbeschreiblicher Kneipennächte zu Ende.

Gebührend feiern kann man das am vorletzten Tag, am Samstag dem 24.07.

Offiziell letzter Tag ist zwar am 25.aber Armin überlegt ober da nur was mit den Stammgästen macht, am nächsten Tag ist ja dann auch Sonntag und abräumen angesagt da würde ich mich nicht auf einen geregelten
Betrieb verlassen.

Goodbye Konsum

Klaus

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