Im Jahr 1961 am 17. Oktober gab es in Paris ein Massaker an in Frankreich lebenden Algeriern, die an einer Demonstration teilgenommen hatten. Bis zu 300 Menschen wurden damals von der Polizei getötet. Die französische Linke schwieg dazu über Jahrzehnte. Am 6. April des Jahres 2006 wurde in Kassel Halit Yozgat erschossen. Am 6. Mai 2006 demonstrierten deswegen 2000 Menschen in Kassel mit der Losung: »Kein 10. Opfer!«. Die Linke nahm davon keine Kenntnis, ebenso wenig kurz darauf in Dortmund, wo am 11. Juni 2006 des am 4. April erschossenen Mehmet Kubaşık mit einem Schweigemarsch gedacht worden war. Bei den Nagelbombenanschlägen mit vielen Verletzten in der Kölner Keupstraße vermochte der damalige NRW Innenminister Behrens selbst heute vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss keinen Terrorismus zu erkennen. In Brandenburg gab es einen V-Mann, der als Strafgefangener zu Treffen ins NSU-Umfeld aus dem Gefängnis abgeholt und zurückgebracht wurde, ein Handy des Innenministeriums besaß und es gab eine SMS eines weiteren NSU VM über das Handy des Innenministeriums mit einer Anfrage bezüglich einer Waffenbeschaffung. Jüngst ist der Fall des Berliner Polizei-V-Mannes bekannt geworden, der für das so genannte Zwickauer Trio Sprengstoff beschaffte. Der NDR berichtet von über 20 möglichen NSU-Anschlagszielen in Kiel und von Fehmarn-Urlaubsunterbrechungen, um Kontakte in ganz Schleswig Holstein zu pflegen. In Heilbronn schreibt die regionale Zeitung von regelmäßigen Besuchen eines V-Manns in Baden-Württemberg und möglichen Aufenthalten der „Zwickauer“ am Ort des Mordes an Michèle Kiesewetter. Ein VS-Beamter des Landes hatte seine Behörde im Jahre 2003 über den NSU in Kenntnis gesetzt und darüber im vergangenen Jahr den Bundestagsuntersuchungsausschuss informiert.
In Mecklenburg Vorpommern, wo der NSU bereits im Jahr 2002 in einer Nazipostille genannt worden war und wo in Rostock Mehmet Turgut am 25. Februar 2004 erschossen wurde, verweigert sich der Landesinnenminister und letztjährige Sprecher der Innenministerkonferenz einem Untersuchungsausschuss. In Hamburg, wo 500m weiter Schleswig Holstein ist und wo die Begründer der westdeutschen Neonazi Szene leben oder gelebt haben, wird diese Frage gar nicht erst gestellt.
Zur Historie zunächst das Oktoberfestattentat am 26. September 1980 mit 13 Toten und 211 Verletzten: „Nicht nur der rechtsradikale Attentäter Köhler war am Tatort auf der Theresienwiese, sondern auch Beamte des Verfassungsschutzes.“ Zweitens lesen wir bei Wolfgang Schorlau in der Stuttgarter Zeitung unter der Überschrift "Löst den Verfassungsschutz auf!" bereits am 22. 11. 2011, „dass auch bei diesem Mord (an dem Verleger und Rabbiner Shlomo Levin mit seiner Lebensgefährtin in seinem Haus in Erlangen) sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz wie auch der bayerische Verfassungsschutz ‘in der Nähe‘ war.“
Im Tagesspiegel hatte Kamuran Sezer, als ursächlich für die NSU-Verstrickungen von Staatsorganen in Deutschland, ein gekipptes Verhältnis von „Check and Balances“ beschrieben. Hamburg ist das Bundesland, wo sich eine unbeachtete These von fehlender Gewaltenteilung täglich verifiziert. Nicht nur erklärt sich der Landes-VS weiterhin ausführlich zu linken Gefahren etc., nicht nur gibt es keinerlei Hamburger Aufklärungen in NSU-Kontexten obwohl die Erkenntnisse zur Vielzahl der NSU-Anschlagsziele in SH darauf verweisen, dass in der Hansestadt einiges zu finden ist - es gibt in Hamburg führende Polizeibeamte, die Konzerte von Neonazis und Überfalle von Nazis bei Fußballspielen des feindlichen FC begleiten, ohne dass sie zu ihrem Tun anschließendes Erinnerungsvermögen besitzen. Und es gibt die gesamte Führungsriege der Schill-Polizei, die nach wie vor in Spitzenpositionen der Hamburger Polizei ist. Und nebenbei gibt es noch einem Polizeipräsidenten, der beim Innensenator in der Luft hängen bleibt. Nichtrepublikanische Staatsräson ersetzt Aufklärungswillen. Es erscheint völlig beliebig, welcher Partei die jeweiligen InnenpolitikerInnen zugehören; die einstmals vereinbarte Fortschreibung nationalsozialistischen mörderischen Führungspersonals in westdeutschen Staatsapparaten trägt die bitteren Früchte zu Tage. Eine Chance, damit im NSU Aufklärungsprozess aufzuräumen scheint vertan.
Wo bleibt die Linke? Wir haben es eingangs beschrieben. Links scheint nur noch Identität, Etikett zu sein. Während die Weltwirtschaftskrise um sich greift, fixieren Linke sich auf Banken. Bloccupy soll fortgesetzt werden, verspricht das doch, was Solidarität nicht vermag: Die Isolierung der Linken aufzuheben. Hören wir dazu 1996 nach dem Brandanschlag in der Lübecker Hafenstrasse einen heutigen Bloccupy Sprecher, Christoph Kleine: "Eine umstandslose Identifikation des Ortes Grevesmühlen mit den möglichen Brandstiftern halten wir für fatal. Ein solches Verhalten hilft der antirassistischen Bewegung nicht aus ihrer Isolation." In Grevesmühlen wohnten die mutmaßlichen und die tatsächlichen Brandstifter.
Da freut sich aktuell der hessische MP, der die frühere Selbstverständlichkeit von Banken Einflussnahmen auf politische Entscheidungen heute nicht mehr gelten lassen möchte und einen solchen offenbaren Versuch der Deutschen Bank öffentlich machte, kann er dabei doch linken Mobilisierungserfolg auf die eigenen Mühlen leiten und zugleich seine Polizei zufrieden stellen – DemonstrantInnen präsentieren.
„Event“ hat der Linken viel Inhalt zerstäubt und damit auch Platz für reaktionäre und regressive Momente frei gemacht. Die Durchgangsstation dieses Transformationsprozesses, Heiligendamm, hat dafür die Grundlegung bereitgestellt.
Hr. Home (Vorab in der Langfassung aus dem Februar Transmitter)