(über Multikulti und andere Kulturen)
CM auf FSK 93.0 Megahetz(e) - Monatliche Kolumne des Café Morgenland - März 2012
Die Beschäftigung mit dem Thema, ist a) anachronistisch, da kaum jemand mehr dafür oder dagegen ein Wort verliert und b) ein Phantasma, welches es nie, egal in welcher Variante, gegeben hat.
Das zweite erntet verständlicherweise Widerspruch, da es doch jahrelang die Nummer Eins im öffentlichen Diskurs war und gar als Anschub/Motor von Parteiformationen der Deutschen diente.
Fangen wir mit der Kultur selber an. Genauer gesagt, was damit immer gemeint war und vor allem welche Rolle der Begriff in theoretischen und praktischen Bereichen spielte und weiterhin immer wieder, je nach Wetterlage und Konjunkturdaten, spielt.
Obwohl er seit seiner Geburt mit einem Anfangslosigkeit und Ewigkeit vorgaukelnden Heiligenschein, der nicht mal Marduk und Zeus gegönnt war, umgeben ist, ist der Begriff „Kultur“ sehr viel jünger als sogar der Kartoffelpuffer. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – also mindestens zwei Jahrhunderte nach der Niederkunft des Kartoffelpuffers - erblickte er das Licht der Welt. Er kam zur Welt als ein pures deutsches Artefakt (obwohl es den CM-Eingeweihten ausreichend bekannt ist, soll hier vorsorglich noch einmal darauf hingewiesen werden, dass das Deutsche im CM-eigenen Sprachgebrauch das ist, was sich damit ausgestattet hat bzw. ausstattet, was zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Auschwitz notwendig oder nützlich war bzw. ist). Also war und ist Kultur eine pure deutsche Kreation. Mehr noch, es gibt zwischen der Kultur und dem Deutschen einen viel verwickelteren, schicksalsvolleren und folgenreicheren Bund als der zwischen einem Meister und seiner Schöpfung: Die zwei befruchteten und zeugten sich in wundersamer Weise gegenseitig.
Wenngleich herzlich selten: auch die englisch- und französischsprachigen Aufklärer hatten einen Begriff, der genauso lautete wie der neugeborene. Der Begriff „Kultur“, der vor dem deutschen Idealismus gebraucht wurde, war in dem althergebrachten Sinne benutzt worden, also als ein von Verben wie anbauen, züchten, kultivieren, entwickeln, verfeinern, pflegen, bilden, etc. abgeleitetes Deverbativ. Der neue deutsch-revolutionäre Begriff bedeutete und bedeutet etwa „Gesamtheit der geistigen, künstlerischen etc. Ausdrucksformen eines bestimmten Volkes“ und hatte mit seinem Namensvetter nichts zu tun, außer dass sie Homonyme waren.
Trotzdem ist es möglich, von einer Übergangsphase zu reden, in der diese zwei Homonyme nebeneinander angewandt wurden. Bei Kant hat man es noch mit dem althergebrachten Begriff zu tun. Er benutzt ihn noch dazu fast ausschließlich in Nominalphrasen wie „Kultur der Vernunft“ oder „Kultur der Gemütskräfte“, in denen das Substantiv etwa Verfeinerung, Wartung, Instandhaltung von etwas Universellem bedeutet; und um dieses ‚Etwas‘ geht es bei Kant ausschließlich und nicht um das omnivore Abstraktum, zu dem sich der neue Kulturbegriff sehr bald entwickeln würde. Also könnte man Kant in diesem spezifischen Zusammenhang ruhig zu den Prärevolutionären zählen.
Goethe ist erwartungsgemäß einer von denen, die den Übergang markieren. Bei ihm lässt sich neben dem althergebrachten Begriff auch der neugeborene – samt dem Blutklumpen, den er in seiner rechten Faust festhält – beobachten: Er kreiert zukunftsträchtige Konstruktionen wie z.B. „Kultur des Vaterlands“, „Landeskultur“, „höhere Kultur“, „Grad der Kultur“, „deutsche Kultur“ und profiliert sich immer mehr als einer der ersten Revolutionäre; er befindet sich im Werden. Fichte, dem sehr an der Gründung, Erhaltung und Fortbestand der deutschen Nation lag, gesellt sich zu ihm und liefert sogar eine verheißungsvolle Definition der neuen Kultur: „Cultur heisst Uebung aller Kräfte auf den Zweck der völligen Freiheit, der völligen Unabhängigkeit von allem, was nicht wir selbst, unser reines Selbst ist.“ Mit Herder befinden wir uns auf dem stabilen Boden der ausgereiften Revolution. Der alte Begriff räumt das Feld, und die Alleinherrschaft und die unaufhaltsame Expansion des neuen Begriffs beginnen. Auch die französisch- und englischsprachigen Gegenden fügen sich sehr bald. Das 19. Jahrhundert markiert den großen Triumphzug des Kulturbegriffs. Die Legende entlarvt sich als Wahrheit: Der Stein der Weisen, der alles unedle Metall in Gold verwandeln konnte, war und ist eben nichts anderes als „Kultur“. Das große Töten in den Kolonien und das unendlich viele Blut, das vergossen wurde, beginnen plötzlich einen Sinn und Zweck zu gewinnen.
Der neue Kulturbegriff entstand in einem klar definierbaren Stadium der spezifisch abendländischen Geistesgeschichte, in dem ein neuer sozialer Organisations- und Produktionsmodus den feudalen verdrängt. Bezüglich der Produktion und Reproduktion der immateriellen Güter unterscheiden sich die daraus resultierenden Gesellschaften synchron von den übrigen und diachron von ihren eigenen Vorläufern darin, dass darin analog zur Ebene der ökonomischen Produktion seit der Aufklärung ein neuer Wissensproduktionsmodus mit neuen und qualitativ anderen Erkenntnisgewinnungstechniken herrscht, die seit den Anfängen der bürgerlichen Gesellschaft entsprechend den Existenzbedürfnissen der neuen Produktionsart und der neuen Gesellschaft Erfindungen hervorbringen und Instrumente entwickeln. Die Legitimation der neuen bürgerlichen Gesellschaftsordnung setzt eine totale Umdeutung der natürlichen und sozialen Phänomene, eine absolut neue Leseart der Realität voraus; eine solche Umdeutung erfordert ein neues und mächtiges Instrumentarium. Eine Reihe von Erfindungen bzw. Kreationen wie das moderne Subjekt, das Individuum, die Identität, die Rasse, die Ethnie, die Nation und die Kultur, die durch das Aufkommen der Sozialwissenschaften begleitet werden und neue Wissenschaften erst motivieren und gründen, bilden ein sicheres Fundament für die Neu- und Umdeutungstätigkeit. Da sich jede dieser Erfindungen als ein gewaltiger Generator für weitere sekundäre Produktionen erweist, machen sie, wenn man will, die Schwerindustrie der immateriellen Produktion und Reproduktion der modernen Gesellschaften aus.
Dabei spielt die innere Konsistenz der Umdeutungen keine Rolle. Es darf sogar oft zu illogischen und anachronistischen, ja lächerlichen Erfindungen kommen, wie es z. B. bei der gängigen Konstruktion „nationaler Volkstänze“ der Fall ist, bei der eine genuin moderne Kategorie mit einem genuin präkapitalistischen Phänomen eine imaginäre Ehe eingeht - zwei sich kategorisch ausschließende Phänomene, wenn bedacht wird, dass der sog. „Volkstanz“ genau dort und dann aufhört zu sein, wo sich das Phänomen Nation spürbar macht. Nichts also ist mehr sicher vor der Gewalt der neuen Kategorien, nichts ist mehr geschützt davor, von ihnen aufgesaugt zu werden, sich in ihnen aufzulösen, von dem modernen Menschen über seine Artefakte bis hin zu Wäldern und Hügeln sowie Gurken und Tomaten, ungeachtet dessen, ob diese roh oder gekocht sind.
Die Ausbreitung des Multikulti-Diskurses in Deutschland (unabhängig von der Motivation ihrer Erfinder) entstand zur der Zeit, als das Bedürfnis, das deutsche Treiben ins „rechte Licht“ zu rücken, am größten war. Demgemäß sollte anhand des inzwischen ein unangreifbares Sakrament gewordenen Kategorisierungs-/Differenzierungskriteriums ‚Kultur‘ die Eigenart der ‚nicht-Deutschen‘ Gruppen anerkannt und respektiert werden, indem die ihnen zugeschriebene Kultur bzw. was dafür gehalten wurde, hingenommen bzw. toleriert werden. Voraussetzung dafür war allerdings die Akzeptanz auch der eigenen, der deutschen Kultur, die endlich wieder ihren Platz an der Sonne einnehmen sollte. Es schien, dass die Zeit reif war, unter deutscher Kultur an Goethe, Schiller, Beethoven usw., notfalls ans Oktoberfest u.ä., zu denken – aber, bitte schön, nicht mehr an Gaskammern.
Nachdem dies zu einer Selbstverständlichkeit geworden war, soll heißen, die deutsche Kultur eine von vielen anderen geworden war, so dass man nicht mehr automatisch an vergangene Unsitten und Gebräuche hatte denken müssen, kam der nächste Schritt, in dem die anderen Kulturen, nachdem sie nun ihre Schuldigkeit getan hatten, in ihre Schranken gewiesen werden sollten: Die Leitkultur war angesagt.
Aber damit war noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Denn es genügte nicht, die eigene Kultur in die Poleposition zu bringen, es mussten die anderen wieder als das redeklariert werden, was sie immer schon waren: die niederen Kulturen. Denn ohne ihr Gegenteil ist das ins-rechte-Licht-Rücken der besagten deutschen Kultur nicht möglich. Wir dürfen z.B. niemals vergessen, dass die Lichtenhagener in Rostock ihre Pogrome gegen die Roma u.a. mit deren Unfähigkeit, die Toilettenspülung zu bedienen begründeten: „Sie haben keine Kultur; sie pinkeln in unseren Vorgarten.“ Folgerichtig wurde eine neue Erfindung, ‚Parallelgesellschaften‘ genannt, zum Tagesthema Nr. 1 gemacht, das die Nation in Rage und Wallung brachte. Sie sprossen aus den Federn? und aus dem Boden, mit den bekannten sarrazinischen Folgen Gau-ckschen Ausmaßes. Dies wurde so weit eskaliert, dass die – trotz ihres bemühten Mitläufertums – bis dahin missachtete deutsche Linke endlich ihre Chancen witterte und sich kräftig einmischte. Jeder linker Depp entdeckte sein bevorzugtes Hassobjekt: Ehrenmord, Zwangsheirat, Moscheenbesucher, Schwimmunterrichtsverweigerer, koschere Schlachter, etc., etc.
Da wir die meisten der Zuhörer bzw. Leser ziemlich genau zu kennen glauben, hören wir jetzt schon die Schreie über unsere Ignoranz, Verniedlichung derartiger Gewaltverhältnisse - „wenn auch in abgefeimter Form“ (Stephan Grigat) etc., etc.
Anstatt diese Gewaltverhältnisse zu verurteilen, greifen wir also die Verurteiler an. Ist es so? Nehmen wir z.B. ein anderes Phänomen, das seit einigen Jahren ein enormes Ausmaß an Beständigkeit und Ritualisierung erfährt: Hunderte deutsche Familien bringen, sobald sie irgendeinen Streit/Trennung/enttäuschte Liebe/negativen Kontoauszug usw. erleben, vorrangig ihre Kinder, manchmal auch noch sich gegenseitig bzw. der eine Teil den anderen, oder auch sich selber um. Da dieses Phänomen ein zahlenmäßig Mehrfaches dessen ist, was man Ehrenmorde nennt, wäre es ja folgerichtig, dies als kulturelle und wesenhafte Eigenschaft dieser Population zu deklarieren, zu kategorisieren und entsprechende Maßnahmen zwecks Unterbindung zumindest der Morde an den Kindern zu ergreifen. Die Bildung und das Anprangern einer dezidierten Gruppe, z.B. der „kindermordenden-deutsche-Eltern“, wäre ja naheliegend.
Was da passiert wäre, welches Raunen durch die Nation und welches Geschrei zu Tage käme, wenn solch ein Diskurs öffentlich in Gang gesetzt würde, wagen wir uns selber nicht auszumalen.
Heute ist die deutsche Leit- und Leid-Kultur so verfestigt und führend, dass sie nicht mehr problematisiert, sondern einfach praktiziert wird.
Z.B. der jüngste moralisch-geistige Aufstand der Population wg. der Story mit der erschlichenen Hotelrechnung, wo es am deutlichsten klar wurde: Hätte der Adolf damals bei den Spesen geschummelt, wäre er längst gestürzt worden, kein Krieg, kein Auschwitz, nichts dergleichen. Diejenigen, die es damals nicht verstanden hatten, z.B. Georg Elser, versuchten vergeblich mit Attentaten, ihn zu Fall zu bringen, anstatt die Steuerfandung auf ihn zu hetzen. Was sich als übliche CM-Provokation anhört, ist bittere Realität: Historiker untersuchen Fälle von Hitler, um ihm solche Verfehlungen nachzuweisen, in der Hoffnung, seine Aura anzukratzen, was auch anzunehmen ist.
Z.B. die spürbare Erleichterung (selbst dann, wenn sie es verurteilen) über das Urteil des Europäischen Gerichthofs über die Entschädigungszahlungen wg. des damaligen Kulturtreibens der Deutschen im Balkan und anderswo. Die Zahlmeister und notorischen Steuerzahler konnten wieder aufatmen.
Z.B. die Aufregung über den Verbleib der zwei Katzen1, die „Heidi" und die „Lilly“ der Nazi-Frau Beate Zschäpe, nachdem die Polizei sich geweigert hat, für ihre Pflegekosten aufzukommen. Wenn das die Tierschützernation nicht auf die Palme bringt!
Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet dadurch, dass die Exportnation nicht nur ihre Ware, sondern und vor allem ihre kulturelle Errungen- und Eigenschaften – bekannt als Sekundärtugenden – in die anderen Ländern exportiert: Fleisch, Disziplin, Wirtschaften…. Alles Voraussetzungen für große Verbrechen.
Café Morgenland, 5.03.2012