"Es nicht verwunderlich, dass das „Nazi-Trio“ eine sächsische Stadt als Niederlassungsort- und Fluchtpunkt wählte und jahrelang untertauchen konnte." ... ", propagieren Neonazis im Stadion des FSV Zwickau Schlachtrufe alá „NSU olé olé“."
Zwickauer Verhältnisse
Redebeitrag der Autonomen Antifa Zwickau
“Zwickau ist Erlebnisstadt mit unverwechselbarem Flair – friedlich, weltoffen und tolerant.” – so zumindest kennzeichnet das vor Ort ansässige „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ die Stadt.
Kein Zynismus, sondern Realität – auch nach dem Aufdecken der schrecklichen Mordserie verübt von Neonazis, welche jahrelang in Zwickau untertauchen konnten. Die Taten der NSU, des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ haben uns alle geschockt.
Schockierend war und ist für uns dabei nicht der Fakt, dass Nazis töten. Schockierend war und ist für uns der Tatzeitraum, die Kaltblütigkeit der Morde sowie die Ignoranz wenn nicht gar Unterstützung durch staatliche Organe.
Der Thüringer Verfassungsschutz trägt in den 90iger Jahren durch Zahlungen maßgeblich zum Auf- und Ausbau des „Thüringer Heimatschutzes“ bei – jener thüringenweit agierenden Neonazi-Kameradschaft, in welcher Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe politisiert und sozialisiert werden. Bis zu 1,5 Millionen Euro flossen allein in Thüringen seit 1994 in Neonazi-Hände und -Strukturen. Ein staatliches Finanzierungssystem für militante Neonazis. Eine Neonazistruktur, welche in den Jahren nach 1997 die drei Untergetauchten maßgeblich unterstützt. Mit Fahrzeugen, mit Geld, mit Waffen.
Ihre Taten plant das sogenannte „Nazi-Trio“ jedoch in Sachsen. Hier tauchen sie in Chemnitz und Zwickau unter und finden in beiden Städten aber auch darüber hinaus ein bereitwilliges Unterstützerumfeld, welches ihnen Wohnungen anmietet, Ausweispapiere organisiert, Waffen besorgt und das verhöhnende Propagandavideo erstellt.
Diese Unterstützerkreise sind keine Unbekannten. In den 90igern und frühen 2000er Jahren führend aktiv bei Blood & Honour, organisieren sie auch nach dem Verbot Aufmärsche, Wehrsportübungen und Konzerte, deren Erlöse zumindest in Teilen die Untergetauchten mit unterstützen sollten. All dies unter den „wachsamen Augen“ des Verfassungsschutzes. Die Unterstützergruppe ahnte bzw. wusste von den Taten – sie sind somit nicht nur Teilnehmende, sondern Akteure dieser rassistisch motivierten Morde und Sprengstoffanschläge.
Zwickau distanziert sich nach Bekanntwerden der Taten im November schnell und bereitwillig. Ausschlaggebend für die Distanzierung ist jedoch v.a. die Begrifflichkeit „Zwickauer Zelle“, welche das mediale Bild und die Auseinandersetzung bestimmt.
Schnell empören sich die SPD-Oberbürgermeisterin sowie Wirtschaftsgrößen der Stadt, schnell wird ein Positiv-Image beschworen, denn: der Wirtschafts-Standort Zwickau ist in Gefahr.
Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ organisiert in Reaktion auf die Aufdeckung der NSU einen Marsch der Anständigen, eine Mitorganisatorin des DGB zeigt offen Unverständnis angesichts der Absagen prominenter Redner, denn “Für den Ruf des Wirtschaftsstandortes Zwickau wäre dies ein wichtiges Zeichen gewesen.”
Während sich beim „Marsch der Anständigen“ etwa 2000 Menschen von den Taten der „Zwickauer Zelle“ distanzieren, und die Weltoffenheit Zwickaus beschwören, propagieren Neonazis im Stadion des FSV Zwickau Schlachtrufe alá „NSU olé olé“.
Zehn Tage nach bekanntwerden der Mordserie spricht die SPD-Oberbürgermeisterin aus Zwickau den Hinterbliebenen der 10 Ermordeten ihr Bedauern aus.
Eine aus unserer Sicht unbegreifliche pseudomoralische Auseinandersetzung, die letztendlich doch nur deutsche Realitäten widerspiegelt. Während antisemitisches, rassistisches und faschistisches Gedankengut längst in der Mitte der Gesellschaft verankert sind und Neonazis somit mindestens ein ideologischer Resonanzboden bereitet wird, üben sich Landesregierung und Stadt wie eh und je in Vertuschung und Verdrängung der Problematik.
Die mangelnde und verharmlosende Auseinandersetzung mit Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus aber auch die Entpolitisierung gewalttätiger Übergriffe zeigt ihre Konsequenzen.
Es nicht verwunderlich, dass das „Nazi-Trio“ eine sächsische Stadt als Niederlassungsort- und Fluchtpunkt wählte und jahrelang untertauchen konnte. Es ist eine Konsequenz der Ignoranz vorhandener militanter Neonazistrukturen sowie gesellschaftlich breit verankerter Ressentiments – auch in Sachsen – welche dies mit ermöglichte. Zwickau zeigt sich nun erschreckt über die Morde. Zwickau zeigt sich nun erschreckt über das Ausmaß neonazistischer Gewalt. Nun gilt es, den Imageschaden abzuwenden.
Lasst uns also die Imagekampagnen entlarven als das was sie sind: Symbolpolitik für den Standort Zwickau, Sachsen, Deutschland. Lasst uns den „schönen Schein“ zerstören, der da lautet: wo kein Naziaufmarsch, da keine Probleme. Gegen den Aufstand und Aufmarsch der Anständigen!
Für eine umfassende und öffentliche Aufklärung der Taten!
Für die sofortige Abschaffung des Verfassungsschutzes!
Solidarität mit allen Betroffenen neonazistischer, rassistischer und antisemitischer Übergriffe!
Für eine emanzipatorische Gesellschaft – in der es möglich ist, ohne Angst verschieden zu sein!
(Redebeitrag der Autonomen Antifa Zwickau vorgetragen auf der Demonstration "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" in Hamburg.)
