Mit einiger Verspätung im FSK-Blog...
Forderungen Freier Radios bekräftigt - Ungenügende Anerkennung angemahnt
Der Bundesverband Freier Radios (BFR) bekräftigte am vergangenen Wochenende auf seinem Jahreskongress die Forderungen nach ausreichenden rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Freie Radios. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Brandenburg und Berlin, sowie in Niedersachsen wird aufgrund politischer Vorgaben die Freiheit der Kommunikation für nichtkommerzielle und selbstorganisierte Medien erheblich eingeschränkt.
Vom 29. bis zum 31. Oktober 2010 trafen sich in Leipzig 60 Vertreterinnen und Vertreter aus 21 Freien Radios und Radioinitiativen. “Bereits im Jahr 2007 wurden der sogenannte Bürgerfunk mit dem neuen Landesmediengesetz durch die CDU/FDP-Landesregierung stark beschnitten. Diese Situation hat sich keineswegs gebessert.”, kritisierte Michael Menzel von Radio Dreyeckland aus Freiburg die Situation in Nordrhein-Westfalen. Im Frühjahr 2010 wurden die drei Freien Radios in Sachsen bei der Ausübung ihres Recht auf Kommunikation massiv eingeschränkt. “Unsere institutionelle Grundsicherung aus Rundfunkgebühren ist nach wie vor nicht gegeben”, berichtete auch Melanie Ott von Radio Blau aus Leipzig. In Berlin reagierte die Landesmedienanstalt nach vielen Jahren auf Forderungen freier Radioinitaitiven. “Allerdings ist das seit Mai 2010 sendende Pilotprojekt 88vier kein Musterbeispiel für die Förderung der Partizipation der beteiligten Initiativen” äußerte sich Paul Motikat von Pi Radio aus Berlin.
ABSCHLUSSERKLÄRUNG:
Wir fordern, dass jedes Freie Radio das Recht auf eine eigene leistungsstarke lokale oder regionale Frequenz hat, die gemeinsame Kommunikations- und soziokulturelle Räume versorgt. Dies muss in der Mediengesetzgebung der einzelnen Bundesländer berücksichtigt werden. Da Freie Radios öffentliche Aufgaben erfüllen, haben sie einen Rechtsanspruch auf öffentliche Förderung, insbesondere einen aufgabengerechten Anteil an der Rundfunkgebühr. Dies umfasst auch die technischen Übertragungsmöglichkeiten. Bezüglich der Urheberrechte genießen die Freien Radios einen Sonderstatus, der ihrem nichtkommerziellen und partizipativen Charakter entspricht. Bei Erarbeitung von Gesetzen, Gesetzesänderungen und internationalen Verträgen, die das Medien- und Fernmeldewesen betreffen, haben die Vertreter der Freien Radios das Recht auf Mitsprache und Mitbestimmung.
Der BFR verurteilt aufs Schärfste, dass im April 2010 die drei Freien Radios in Sachsen bei der Ausübung ihres Rechts auf Kommunikation massiv eingeschränkt wurden. In einem bundesweit einmaligen Akt der Willkür hatte der Betreiber des privat-kommerziellen Mantelprogramms am 17. April die drei lizenzierten Freien Radios abschalten lassen. Da die sächsische Landesmedienanstalt (SLM) keinen Grund zum Einschreiten sah, musste die Wiederaufschaltung zum 14. Mai über das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie über die Bundesnetzagentur durchgesetzt werden. Auch die institutionelle Grundsicherung der sächsischen Freien Radios durch entsprechende Förderung aus den Rundfunkgebühren ist nach wie vor nicht gegeben. Der BFR verurteilt die Diskriminierung Freier Radios durch die sächsische Medienanstalt wegen der Nichtanwendung der Bestimmungen zur Förderung nichtkommerzieller Rundfunkveranstaltungen aus dem Rundfunkstaatsvertrag der Länder, trotz vorhandener Möglichkeit im sächsischen Medienrecht. Der BFR unterstützt deshalb die klarstellende Umsetzung des „Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gesetzes zur Durchführung des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland und zur Änderung des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes" wie ihn die Fraktionen SPD, DIE LINKE, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits im Januar 2010 dem Dresdner Landtag vorgelegt haben.
In Nordrhein-Westfalen wurden der "Bürgerfunk Radio" bereits 2007 mit dem neuen Landesmediengesetz (LMG NW) durch die CDU/FDP-Landesregierung stark beschnitten. Wir fordern die seit Juli 2010 regierende Koalition aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die sie tolerierende LINKE auf, die Einschränkungen von damals aufzuheben und darüber hinaus die einzig richtige Schlussfolgerung zu ziehen: nämlich die Abkopplung des Bürgerfunks von den privat-kommerziellen Lokalradios. Stattdessen sollen eigenständige nichtkommerzielle Rundfunkveranstalter auf eigenen Frequenzen gesetzlich ermöglicht werden. Konkret fordern wir u. a. eine Vorverlegung und Erweiterung des Sendezeit mit der Option eines 24-Stunden-Programms, die Möglichkeit von Sendungen in anderen Sprachen und die Ermöglichung von Liveberichterstattung.
An die Regierungskoalitionen zwischen SPD und die LINKE sowohl in Berlin, als auch in Brandenburg richten wir die Forderung im gemeinsamen Medienstaatsvertrag den Status des Nichtkommerziellen Lizenznehmer (NKL) einzuführen, inklusive einer institutionellen Grundsicherung durch entsprechende Förderung aus den Rundfunkgebühren. Der BFR begrüßt die Bestrebungen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) nichtkommerziellen Radioinitiativen Zugang zu UKW zu ermöglichen. Jedoch sehen wir im Projekt “88vier” hinsichtlich Empfangbarkeit und Struktur keine dauerhafte und befriedigende Lösung: die beiden Frequenzen erreichen nur die Südhälfte Berlins und kleine Teile Brandenburgs; bereits bestehende Kooperationen zwischen verschiedenen Radioinitiativen wurden u.a. durch die Konkurrenzsituation um die Frequenz nicht gefördert. Neben einer auf mittelfristige Sicht besser zu empfangenden Frequenz benötigt nichtkommerzielles Radio in Berlin eine mabb-unabhängige Gesamtkoordination sowie eine damit einhergehende klarere Abgrenzung zum ebenfalls auf der 88vier sendenden Offenen Kanal Berlin - ALEX.
Der BFR insistiert entgegen bestimmter Tendenzen in den Medienanstalten und bei einzelnen Gesetzgebern nachdrücklich darauf, das das Grundrecht der Ausübung der Rundfunkfreiheit nur dann in Bürgermedien gewährleistet ist, wenn das Recht auf Selbstverwaltung des gemeinschaftlichen Programmes und der Sendeabläufe in den Händen der assozierten Radiomachenden liegt. Diese elementare Grundbedingung ist gerade auch in den Fällen zu beachten, wo unter Umständen die Erfordernisse der Frequenzknappheit dazu führen können, Sendezeitaufteilungen auf einer Frequenz vorzunehmen: ein Vorrang muss immer bei der selbstverwalteten Gemeinschaft des nichtkommerziellen Rundfunkveranstalter liegen.
Völlig unvereinbar mit der Rundfunkfreiheit im allgemeinen wie insbesondere dem Charakteristikum der bürgerschaftlich gestalteten Medien ist die Situation, die in Niedersachsen auf Betreiben der dortigen Medienanstalt herbeigeführt wurde. Zeitungsverleger – gar mit örtlichen Monopolstellungen – werden vom BFR als Rundfunkveranstalter in bürgerschaftlichen Medien aus medienkonzentrationsrechtlichen Gründen wie auch als Gefahr für die Rundfunkfreiheit insgesamt strikt abgelehnt.
Der BFR zeigt sich angesichts der oben skizzierten und nur ausschnittweise dargestellten Entwicklung in der Bundesrepublik besorgt. Die medienpolitische Anerkennung für den dritten, nichtkommerziellen Mediensektor stagniert hier seit Jahren und koppelt sich somit auch immer mehr von internationalen Entwicklungen ab. EU-Parlament 2008 und Europarat 2009 haben die Anerkennung für Community Media ausdrücklich angemahnt. Vor der Tatsache einer Veränderung in der Gesellschaft hin zu mehr Partizipation spielen Comunity Media im Allgemeinen und die Freien Radios im Besonderen eine gesonderte und nicht zu ignorierende Rolle.
Der Bundesverband Freier Radios im November 2010
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