... "Politisch ist das, was aktuell passiert, unumkehrbar. Wir erleben eine entsolidarisierte, sich gegenseitig zutiefst mit Niedertracht begegnende Gesellschaft. Wenn ein Land nicht früh genug anfängt, zerstörerische Kräfte einzudämmen, wird es ein hartes Land mit einem harten Leben. Nach den Kipppunkten können Sie noch eine Weile protestieren und skandalisieren, dann werden diejenigen an die Macht kommen, die auch diese Möglichkeit tabuisieren werden. Die es sich leisten können, gehen und investieren woanders. Die es sich nicht leisten können, bleiben und verstummen. Petitionen in Friedenszeiten zu unterschreiben ist ganz leicht, aber wenn demnächst die AfD regiert, möchte ich mal sehen, wer noch offene Briefe unterschreiben wird. Es geht jetzt nur noch darum, möglichst würdevoll und selbstbestimmt durch die kommenden Jahrzehnte zu gehen. Meine Aufgabe wird sehr wichtig. Erzählen was war, was ist, was kommt. Und an die Schönheit erinnern.
Was ist schön?
In politisch düsteren Zeiten einen Freund zu finden. Zusammenzuhalten. Zärtlich bleiben.
Der Buchtitel Ihrer gesammelten Theaterkolumnen wird in letzter Zeit viel zitiert: „Werden sie uns mit FlixBus deportieren?“ Erschreckt Sie noch etwas von dem, was gerade öffentlich wird?
Das Konzept von Rechtsextremismus ist immer gleich geblieben. Diskreditieren, diskriminieren, segregieren, deportieren, vernichten. Wenn Sie politisch gebildet sind, dann wissen Sie das. Da brauchen Sie keinen Bericht über ein Geheimtreffen oder über 30 Prozent AfD-Zustimmungswerte. Interessant daran ist nur die Frage nach dem Wie und mit welchen Worten? Heute heißt es „Remigration“. Alles begann mit „illegale Migration“. Wäre Flüchten tatsächlich illegal, wäre Remigration der politisch legitime Versuch, das entstandene Chaos in eine aufgeräumte Gesellschaftsordnung zurückzuführen. Sehen Sie? Schon wird Deportation zu etwas Notwendigem und Gutem. Wir könnten, sobald jeder Flüchtling europäischen Boden betritt, seine Flucht für beendet und ihn zu einem freien Bürger mit Bürgerrechten erklären. Das ist eine politische Entscheidung. Zuvor aber müssen die richtigen Worte verwendet werden. Weglaufen vor Bomben ist nicht illegal. Flucht ist keine Migration. Weglaufen ist ein Menschenrecht. Menschen auf ihrer Fluchtroute einzufangen und zu inhaftieren ist nicht rechtens." ...
https://taz.de/Autorin-Mely-Kiyak-ueber-den-Tod/!5987801/
3. 2. 2024
Mely Kiyak (im Interview der taz):
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