Über den lüs­tern er­zähl­ten An­ti­se­mi­tis­mus des Gün­ter Grass

Zwei vom Ham­bur­ger Frei­en Sen­der­kom­bi­nat mit­ge­schnit­te­ne und pro­du­zier­te Vor­trä­ge (mit Musik und Mo­de­ra­ti­on):

Klaus Brieg­leb: »Fayn­golds ‚Op­fer­ver­gleich’: Über den lüs­tern er­zähl­ten An­ti­se­mi­tis­mus des Gün­ter Grass«.

An Gün­ther Grass’ Roman „Blech­trom­mel” zeigt Brieg­leb ex­em­pla­risch die Ver­schrän­kung von Opfer­dar­stel­lung und Obs­zö­ni­tät. Mit der „eng­füh­ren­den Lek­tü­re” ein­zel­ner Text­pas­sa­gen zeigt er auf wie An­ti­se­mi­tis­mus sich un­be­wusst-​be­wusst fort­schreibt. Ins­be­son­de­re die Rolle des Ro­mans in der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Re­zep­ti­on wird von Brieg­leb als Ver­such deut­scher Schuld­ab­wehr in­ter­pre­tiert.
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Aktuell:

Grass sei gedankt

Die Aufregung in Deutschland und in Israel ist groß. Mit seinem international veröffentlichten Gedicht hat der deutsche Literaturnobelpreisträger Günther Grass ein geschmackloses, antisemitisches, politisches Statement abgegeben, das allein der Sprecher der Bundesregierung als „Kunstwerk“ empfindet und verbriefte „Freiheit der Kunst“ bestätigt…

Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 5. April 2012

Grass hat mit seinem stümperhaften Machwerk plump Fakten auf den Kopf gestellt oder ignoriert und Israel zur „Gefahr für den Weltfrieden“ gekürt. In der Jugend des gealterten Nationaldichters, als er der SS beigetreten war, wurde das „Weltjudentum“ als Gefahr für den Weltfrieden ausgemacht, mit der Konsequenz, dass die Juden vernichtet werden müssten. Dieses heute auf den jüdischen Staat zu übertragen, ist per Definition Antisemitismus und hat nichts mit „legitimer Kritik“ an der Politik der Regierung Israels zu tun. Die Erklärung, dem Land Israel verbunden zu sein und verbunden bleiben zu wollen ist in diesem Zusammenhang als bloßes Feigenblatt zu werten.

Dem unausstehlichen literarischen Erguss kann man sogar positive Effekte abgewinnen.

Dass der ehemalige SS-Mann sich erneut als Antisemit bestätigt, ist für jene peinlich, die in Grass eine moralische Autorität sehen wollten und sich jetzt gezwungen sehen, Distanz zu zeigen. Der Nobelpreisträger war das Flaggschiff der deutschen Leitkultur, und sprach nun die Träume deutschen Spießbürgertums offen aus. Jede Kritik ist legitim, wenn sie eine Korrektur bezweckt. Doch dem Kritisierten nur Selbstmord, in diesem Fall die Vernichtung eines ganzen Staates als Ausweg zu lassen, entspricht einem Aufruf zu Völkermord.

Wie peinlich, dass ausgerechnet Grass das denkt und mit letzter Tinte veröffentlicht. Grass bewirkte jedoch das Gegenteil seiner fiesen Intention. Ausgerechnet jene in Deutschland, die nicht müde werden, die klar abgesteckten Grenzen des Antisemitismus mit „legitimer Israelkritik“ überschreiten, sehen sich gezwungen, zurückzurudern. Plötzlich bemerkten auch die schärfsten Hasser Israels, wie ihre Meinung dank Grass zum primitiven antisemitischen Hasspamphlet mutieren kann. Der heftige Widerspruch zeigt, dass ungezügelter Antisemitismus, wie Grass ihn in seinem perversen Gedicht manifestiert hat, in Deutschland doch nicht wieder so salonfähig ist, wie das mancher befürchtet hat. Die ungezügelte Kriegstreiberei in Focus und Spiegel (ohne eine israelische Drohung, Iran zerstören zu wollen, namentlich belegen zu können) entpuppt sich dank Grass als antisemitische Kampagne. Jenen geht es darum, den Juden das Selbstverteidigungsrecht abzusprechen angesichts genozidaler „Maulhelden“. Alle malen mit schillernden Farben die schrecklichen Folgen eines israelischen Militärschlags gegen Iran aus, aber niemand verschwendet auch nur einen Gedanken an die Möglichkeit, dass mit einer Atombombe auf Tel Aviv der jüdische Staat vernichtet wäre.

Das Nationalsymbol Grass hat bewiesen, mit welcher Leichtigkeit die Grenzen des guten Geschmacks und der Moral überschritten sind. So könnte sein „Gedicht“ zum Lehrstück für jene werden, die wie Grass vermeintlich keine Antisemiten sind, aber gedankenlos mit dem kompletten Arsenal des klassischen Antisemitismus gegen Israel hetzen, es dämonisieren und seine Vernichtung in Kauf nehmen oder gar herbeiwünschen. Deshalb kann man zu guter Letzt doch sagen: Danke, Günther Grass, für Dein Gedicht!

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com
http://www.hagalil.com/archiv/2012/04/05/grass-4/

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